1918

Frauen erhalten das aktive und passive Wahlrecht

Als im November 1918 die Weimarer Republik ausgerufen wurde, stellte der Rat der Volksbeauftragten in seinem Aufruf ‚An das deutsche Volk‘ sein Regierungsprogramm vor. Dieser 12. November 1918 gilt als Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland, weil die provisorische Regierung eine große Wahlrechtsreform verkündete, die auch das Frauenwahlrecht enthielt. Darin hieß es: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“
Marie Stritt (1855–1928), eine der Wegbereiterinnen des Frauenwahlrechts, vertrat 1918 die Ansicht: „Die deutschen Frauen haben das Wahlrecht. […] Es ist eine übergangslose Erhebung aus gänzlicher politischer Rechtlosigkeit zu voller staatsbürgerlicher Freiheit, [ …] etwas wie ein Wunder […].“
Das Reichswahlgesetz trat am 30. November 1918 in Kraft und so waren die Wahlen am 19. Januar 1919 zur Weimarer Nationalversammlung die ersten, an denen sich Frauen beteiligen konnten. 17,7 Millionen Bürgerinnen machten von ihrem Wahlrecht Gebrauch. Ihre Wahlbeteiligung lag damit bei 82,3 Prozent.
Zum ersten Mal konnten Frauen auch gewählt werden. Obwohl 54 Prozent der Wahlberechtigten Frauen waren, standen nur 308 Frauen und 1310 Männer zur Wahl. Unter den 423 gewählten Abgeordneten waren dann 8,5 Prozent Frauen. 17 Politikerinnen gehörten der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) an, sechs der Deutschen Zentrumspartei (Zentrum), fünf der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), jeweils drei der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) bzw. der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) und eine der Deutschen Volkspartei (DVP). Im Verlauf der Legislaturperiode rückten weitere fünf Frauen nach.
Diese Parlamentarierinnen der ersten Stunde waren keine erfahrenen Berufspolitikerinnen. Sie mussten sich innerhalb der Reichsgremien erst einmal zu behaupten lernen, zumal ihnen einzelne Männer den Einstieg schwer machten und sie nicht ernst nahmen.
Aber die Chance war da, die Parlamentarierinnen konnten nun auch Themen einbringen, die besonders die Lebenssituation und die Interessen von Frauen betrafen. Viele dieser Themen sind noch heute aktuell, z.B. die Lohnungleichheit oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.