1968
Eine neue Welle des Protests
Das Jahr 1968 besitzt rückblickend Symbolcharakter, war es doch das Startsignal für eine zweite Welle der Frauenbewegung. Nicht zuletzt die Tomaten, die auf dem Delegiertenkongress des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) in Richtung Vorstandstisch geworfen wurden, sorgten dafür, dass Frauengruppen mit zunehmend spektakulären Aktionen auf bestehende Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern aufmerksam machten. In diesem Jahr hielt Helke Sander als einzige Frau auf der Delegiertenkonferenz des SDS eine Rede und stellte das Konzept des Aktionsrates zur Befreiung der Frauen (APO) vor. Die feministische Gruppierung setzte sich für die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Beruf ein. Helke Sander formulierte in ihrer Rede, dass die Trennung zwischen Privatleben und gesellschaftlichem Leben die Frau immer in den individuell auszutragenden Konflikt ihrer Isolation zurückwerfe. Die pointierte Formulierung dieser Zeit „Das Private ist politisch“ meint demnach, dass das, was als privat von der Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, höchst politisch ist. Helke Sanders Rede forderte die Genossen zum Umdenken auf, doch dazu waren die Männer nicht bereit. Erbost über deren Reaktion warf die hochschulpolitische Aktivistin Sigrid Rüger Tomaten auf das Podium, eine gelungene Provokation zum richtigen Zeitpunkt. Denn die neue Frauenbewegung nahm dann in den 1970er Jahren Fahrt auf. Das Motto lautete: „Wer sich nicht wehrt, bleibt für immer am Herd.“
Am 6. Juni 1971 titelte die Zeitschrift Stern „Wir haben abgetrieben.“ Es war eine von Alice Schwarzer initiierte Kampagne, bei der 374 Frauen, darunter auch sehr prominente, öffentlich bekannten, eine Schwangerschaft abgebrochen und damit gegen geltendes Recht verstoßen zu haben. Durch die aufsehenerregende Aktion wurde das Tabuthema Schwangerschaftsabbruch erstmals öffentlich. In der Folge davon gründeten sich feministische Gruppen, die sich gegen den Paragraphen 218 engagierten. Im Jahr 1974 führte der Bundestag die Fristenlösung ein, die auf Grund massiver Proteste im Jahr 1976 in die Indikationenregelung umgewandelt wurde. Als Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch galten ab sofort medizinische, kriminologische, eugenische oder soziale Gründe, bei denen eine Abtreibung innerhalb der ersten zwölf Wochen straffrei ist.