1994

Die Erweiterung des Grundgesetzes

Seit die Formulierung „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in das Grundgesetz aufgenommen worden war, hatte sich die soziale Wirklichkeit von Frauen trotz unbestreitbarer Fortschritte nur langsam verändert. Nach der Wiedervereinigung erhielt die Gemeinsame Verfassungskommission (GVK) den Auftrag, Grundgesetzänderungen, die durch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten notwendig geworden waren, auszuarbeiten. Frauenorganisationen, -verbände und -initiativen setzen sich massiv dafür ein, dass die GVK auch die Weiterentwicklung des Gleichberechtigungsartikels zum Gegenstand ihrer Beratungen machte. Denn mit der bestehenden Formulierung war zwar die formale, nicht jedoch die faktische Gleichstellung zwischen Frauen und Männern erreicht worden.
Die Debatten darüber gestalteten sich schwierig. Einig war man sich in der Kommission darin, dass Frauen weiterhin Benachteiligungen ausgesetzt seien, jedoch war man sich nicht einig darin, mit welchen Maßnahmen diese Benachteiligungen abgebaut werden sollen.
Am 27. Mai 1993 beschloss die GVK die Formulierung: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ An den Staat wird damit klar der Auftrag formuliert, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Gleichberechtigung der Geschlechter aktiv voranzubringen, und der Verfassungszusatz bildet für Bund, Länder und Kommunen die Rechtsgrundlage für Gleichstellungsgesetze.
Am 24. Juni 1994 trat das Gesetz zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern, das Zweite Gleichberechtigungsgesetz (2. GleiBG), in Kraft, bei dem es sich um eine Reform des 1957 beschlossenen Gleichberechtigungsgesetzes handelt. Es beinhaltet in Artikel 1 das Gesetz zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesverwaltung und den Gerichten des Bundes bzw. Frauenfördergesetz (FFG), in Artikel 10 das Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz bzw. Beschäftigtenschutzgesetz (BSchG) und in Artikel 11 das Gesetz über die Berufung und Entsendung von Frauen und Männern in Gremien im Einflussbereich des Bundes bzw. Bundesgremienbesetzungsgesetz (BGremBG).
Dieses Zweite Gleichberechtigungsgesetz von 1994 wurde 2001 durch das Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes bzw. Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG) abgelöst.